Die untergegangene und vergessene Stadt
"Kastell Monte Voltraio

Vor den Toren der Stadt Volterra liegt drei Kilometer östlich der Berg Monte Voltraio.
Durch seine eigenartige Form ragt er aus der bergigen Hügellandschaft hervor
und ist schon von weitem zu erkennen.


Villa Palagione mit dem Hausberg Monte Voltraio, im Hintergrund Volterra

In Vorbereitung:
Ausstellung und Katalog zum Monte Voltraio
in Villa Palagione ab 2009

Im Zusammenhang mit der Geschichte des Monte Voltraio steht auch Villa Palagione, an der südöstlichen Bergflanke gelegen. Sie wurde früher "Villa Borgo Montevoltraio" genannt, und ihre Vorgängergebäude waren sicherlich Teile des Festungsortes. Heute ist Villa Palagione ein Kultur- und Bildungszentrum und engagiert sich für die Bewahrung und Vermittlung des kulturhistorischen Erbes des Monte Voltraio. Von besonderer Bedeutung sind hierbei Studienprojekte zu viel versprechenden archäologischen Ausgrabungen und zur Realisierung eines Lehrpfades.


Die Geschichte des Monte Voltraio liegt heute
unter Gestrüpp und dem Staub der Zeit versteckt.


Beim Begehen des Monte Voltraio entdeckt man - um den ganzen Berg verstreut - bauhistorische Überreste von Mauern, Scherben, Säulenstümpfen und Kapitellen. Diese oberflächliche Funde lassen die imposante Größe des befestigten und bedeutsamen Ortes im Mittelalter erahnen.




Mögliches mittelalterliches Aussehen des "Kastell Monte Voltraio", in einem Wandfresco der Villa Palagione dargestellt.

Die Höhenburg (la rocca)
Oben auf dem schwer zugänglichen Berggipfel (458m) befand sich eine mächtige, fast uneinnehmbare Burg. Von hier aus hatte man einen weiten Panoramablick auf die umliegenden Täler und Berge, konnte das Wegenetz überwachen und hatte Sicht- und Kommunikationskontakt mit den benachbarten Burgen.
Heute besteht die Höhenburg aus wild durcheinander liegenden Steinen, die von eingestürzten Türmen und Gebäuden stammen; Teile von Mauerruinen ragen noch einige Meter in die Höhe, eine Ringmauer mit Wehrgang umschloss die Anlage, zu der ein steiler Weg entlang des nördlichen Berghanges hinauf führte. Inmitten des Burghofes befanden sich turmartige Wohnhäuser, die den sog. Burgfried (arx) bildeten und in Krisensituationen als letzte Zuflucht für die Burgherren diente. Hier befindet sich auch eine große Zisterne zum Speichern von Regenwasser, über der ein Turm errichtet war.


 

Mauerruinen der Höhenburg

Laufgrabenmauer - (il Balco)
 


Die Laufgrabenmauer (il Balco)


Am Ende der nordöstlichen Burgmauer schloss sich ein Eingangstorbau an, der mit einer 56 m langen und 4 m breiten Laufgrabenmauer (Balco) verbunden war. Diese strategische Verteidigungsanlage erstreckte sich bis zum steil abfallenden Abhang des Felsreliefs.

 


Der Burgort (il borgo)
Unterhalb der Burg erstreckte sich circa 100 Höhenmeter tiefer der Siedlungsort des Monte Voltraio, der von einem Mauerring geschützt wurde. Hier lebte ein Großteil der Bevölkerung. Dieser östliche Teil des Berges liegt auf einer leicht zugänglichen Hangebene, die in eine weite Hügellandschaft übergeht. Schriftliche Quellen dokumentieren für diesen Ortskern zahlreiche Turmhäuser, die im Besitz von adligen Familien waren. Aber auch hier finden sich heute wenige sichtbare Spuren der Besiedelung. An einigen Stellen sind die Grundrisse der Häuser und der Stadtmauer durch Erdvertiefungen zu erahnen, und zwischen den Steinhaufen zeichnen sich Wege ab.
 

Brunnenanlage des Burgortes


Kapitell aus dem 10. Jh. der Kirche "San Giovanni Battista"

 Die Tauf- und Pfarrkirche (Pieve)
"San Giovanni Battista"
Innerhalb des Kastells gab es drei Kirchen: Von der "Michaelskirche" in der Höhenburg und der Kirche "S. Maria", die in der Nähe von Casale Rocca gestanden haben sollen, finden sich heute keine Spuren mehr. Dagegen sind von der Pieve "San Giovanni Battista" noch Reste von Kapitellen, Sockeln und Säulen zu sehen, die ihre damalige Größe und Schönheit bezeugen können. Ihre Kapitellspolien werden in das 10. Jh. datiert. Die Kirche war Johannes dem Täufer geweiht und zur Zeit ihrer Existenz eine beeindruckende romanische Basilika mit drei Schiffen und sechs Säulen. Eine fundierte Gründungsdatierung und kontinuierliche Chronologie ist aus Mangel an historischen Quellen und bisher fehlenden archäologischen Untersuchungen nicht möglich. Ab dem 12. Jh. wird sie in Urkunden und in päpstlichen Bullen öfter erwähnt; vermutet wird ihre Entstehung schon im Frühmittelalter.

Kastell Monte Voltraio -
historisch bedeutender Ort, dem Untergang geweiht.


Ausschnitt des Placitum vom 12.Juni 967
 Die antiken Kultstätten sind zu allen Zeiten an besonders auffallenden geographischen Orten entstanden. Schon die Etrusker vor über 2500 Jahren fühlten sich offenbar von diesem mystischen Berg angezogen, wie archäologische Funde zeigen.

Zum ersten Mal konkret erfassbar wird die Geschichte des Monte Voltraio im Mittelalter mit einer Urkunde zur kaiserlichen Gerichtsverhandlung (Placitum) vom 12. Juni 967. In ihr wird die Anwesentheit des deutschen Kaisers Otto der Große (913-973) dokumentiert.
In Begleitung eines stattlichen Gefolges von Rittern und weltlichen und religiösen Würdenträgern residierte er kurzeitig während seines 3. Italienzugs in der Burganlage des volterranischen Bischofs auf dem Monte Voltraio. Für die Historiker ist dieses Dokument von besonderer Bedeutung, da mit den Unterschriften der Anwesenden Angaben über deren Amtsfunktionen erkennbar sindund zum ersten Mal die "Grafschaft Volterra" und ihr Graf Rudolfo genannt werden. Diese volterranische Grafschaft wurde durch Otto den Großen als direkte institutionelle Vertretung der kaiserlichen Macht vor Ort gegründet, um wirtschaftpolitische Interessen sowie die territoriale und juristische Ordnung zu sichern. Sie schließt die "Colline metallifere" (Erzhügel) ein, schon immer ein begehrtes und umkämpftes Gebiet, reich an Rohstoffvorkommen wie Salz, Silber, Eisen, Kupfer : Grundlage für Macht und Reichtum. Bis zur Mitte des 13. Jh. entwickelte sich das "Kastell Monte Voltraio" zu einer blühenden Gemeinde mit einem dicht besiedelten Ortskern und über tausend Bewohnern. Sie erlangte das Stadtrecht als unabhängige ländliche Stadtrepublik (Kommune), zu der zahlreiche umliegende Dörfer und Kastelle gehörten.
Nach dem Tod des Stauferkaisers Friedrich II. (1250) und den damit ausbrechenden politischen Unruhen geriet das "Kastell Monte Voltraio" in die Machtkämpfe der rivalisierenden Nachbarstadt Volterra und ihrer Bischöfe. Gewaltsam wurde der strategisch wichtige Festungsort vom volterranischen Heer erobert und der Stadt Volterra unterworfen (1252/1262).
In den darauf folgenden zwei Jahrhunderten wurde "Kastell Monte Voltraio" immer wieder zum begehrten Streitobjekt und Austragungsort zahlreicher militärischer Auseinandersetzungen zwischen Volterra, San Gimignano, Siena und Florenz und wurde schließlich endgültig dem Erdboden gleichgemacht.
 


An die Unterwerfung des Kastell Monte Voltraio erinnert die Inschriftentafel aus dem Jahre 1252 an der Außenfassade des Baptisteriums von Volterra.

Die Legende vom geheimnisvollen Schatz des Monte Voltraio.

 

Volkssagen und Mythen, von Generation zu Generation überliefert, begleiten die Geschichte des Monte Voltraio. Besonders bekannt ist die Legende von der "Henne mit den goldenen Küken", die auf dem Monte Voltraio versteckt sein soll. Volterraner erinnern sich noch gerne an ein Schlaflied ihrer Kindheit, das von diesem verborgenen Schatz auf dem Monte Voltraio erzählt. Ob es sich dabei um eine Skulptur aus etruskischer Zeit oder die berühmte Henne mit den sieben Küken aus dem Domschatz von Monza handelt, die Papst Gregor I. (590-604) der langobardischen Königin Theolinde als Dank für die Hinführung ihres Volkes zur römisch- katholischen Konfession geschenkt haben soll, bleibt der Phantasie überlassen.